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Bullshit, die AFD und warum unsere Demokratie gefährdet ist!

  • 19. Nov. 2020
  • 4 Min. Lesezeit


Wir kommunizieren ständig: wir Behaupten, Bitten, Fordern, Bewerten, wir Loben, Lehnen ab, Widersprechen, Stimmen zu, wir Fragen, Erklären, Klassifizieren und so weiter und so weiter. Manchmal lügen wir auch. Jeder tut das, manche häufiger, andere seltener, meistens nicht gerne. Wenn alle ständig Lügen würden, gäbe es keine gelingende Kommunikation. Wenn ich zur Bank gehe und einen Kredit aufnehme, weil ich ein Café eröffnen möchte, dann gehe ich davon aus, dass der Bankberater, der mir eine Zusage für den beantragten Kredit gibt, nicht lügt. Wenn ich befürchten müsste, dass er lügt, würde ich den Mietvertrag für die Räume, in denen ich mein Café eröffnen möchte, vielleicht nicht unterschreiben. Natürlich ist, selbst wenn keine Lüge vorliegt, nicht immer alles wahr, was wir kommunizieren. Der einfachste Fall dieser Art ist, dass ich irrtümlich etwas behaupte, etwa ’Kupfer leitet keinen Strom’, das falsch ist (Kupfer leitet Strom!) Damit Kommunikation aber überhaupt funktionieren kann, müssen wir erstmal davon ausgehen, dass unsere Kommunikationspartner die Wahrheit sagen oder sich wenigstens bemühen, dies zu tun.

Der Lügner nutzt unsere Annahme, das unsere Gesprächspartner sich bemühen, die Wahrheit zu sagen, um uns über etwas zu täuschen. Der Lügner muss gewissermaßen an die Wahrheit glauben, denn sonst fehlte ihm ja die Voraussetzung dafür, dass er erfolgreich Lügen kann.


Ein weiterer Fall von Kommunikation ist das Geschwätz oder neudeutsch der Bullshit. Folgt man der Analyse von Harry G Frankfurt in seinem gleichnamigen Buch, so unterscheidet sich der Bullshitter vom Lügner darin, dass es ihm egal ist, ob er etwas Wahres sagt oder lügt, denn es geht ihm weder um Wahrheit oder Lüge, es geht ihm darum seine Zwecke, die er verfolgt, zu verschleiern. Wenn sich ein Politiker während einer Debatte, sagen wir zum Infektionsschutzgesetz, in Phrasen und Geschwätz verliert, dann möchte er möglicherweise verschleiern, dass er von dem Thema keine Ahnung hat, oder welche Position er wirklich vertritt, weil ihm das politisch opportun erscheint. Vielleicht will er aber auch die wahren Zwecke, die er mit seinem Geschwätz verfolgt, verbergen.

Wer als gewählter Volksvertreter an einer Debatte im Bundestag teilnimmt, von dem darf man zunächst annehmen, dass seine Redebeiträge wahrhaftig sind. So sind die Spielregeln überall, wo kommuniziert wird, also auch im Bundestag. Das muss nicht zwangsläufig heißen, wie wir gesehen haben, dass diese Person immer etwas Wahres sagt, sie kann sich schließlich auch mal irren. Sie kann natürlich auch bewußt lügen. Wenn das herauskommt, wird es in aller Regel aber scharf sanktioniert. Etwas anderes ist es mit dem Verschleiern der eignen Absichten. Wenn man sich anschaut, wie etwa Markus Söder sich um eine klare Festlegung, ob er Kanzlerkandidat der Union werden will, durch nichts sagende, schwammige Phrasen herumdrückt, oder Jens Spahn eine klare Antwort schuldig bleibt, ob er sich nicht für einen besseren CDU-Vorsitzenden hält als Armin Laschet, mit dem er derzeit noch ein Team mit sich als Nummer 2 bildet, dann kann man nicht anders, als diese Äußerungen als Geschwätz mit dem Zweck der Verschleierung der eigenen Machtambitionen zu bezeichnen. Offenbar akzeptieren wir aber, dass in manchen Kontexten geschwätzt wird. Etwa wenn es um Machtfragen in der Politik geht. Getäuscht zu werden, ist in der Politik keine Entschuldigung! Das heißt man muss damit rechnen, dass der politische Gegner zuweilen zu Täuschungsmanövern greift, um seine Zwecke durchzusetzen. Täuschen ist aber nicht in jedem Fall erlaubt. Und da kommen die gestrigen Ereignisse im Bundestag ins Spiel.

Der Bundestag verabschiedet am 18. November mit deutlicher Mehrheit ein Infektionsschutzgesetz, dass dem Bund in bestimmten Fällen mehr Kompetenzen bei der nationalen Infektionsbekämpfung einräumt. Diese Befugnisse müssen aber zwingend vom Parlament genehmigt werden und müssen zeitlich begrenzt sein. Dieses Gesetz stellt die neuen Kompetenzen so klar und eindeutig wie nur irgend möglich unter die parlamentarische also demokratische Kontrolle. Die AFD allerdings vergleicht das neue Infektionsschutzgesetz mit den Ermächtigungsgesetzen, die Hitler 1933 letztlich die Errichtung einer Diktatur ermöglichten. Im Kern hoben diese Gesetzte die Gewaltenteilung auf. Es ist auch bei viel Wohlwollen nicht erkennbar, wo die Parallele zwischen den Ermächtigungsgesetzen von 1933 und dem Infektionsschutzgesetz von 2020 liegt! Hat die AFD nun Lügen über das Infektionsschutzgesetz verbreitet? Nein, dass wird man so nicht sagen können. Denn ein konkreter Gesetzesvergleich wurde von der AFD nicht vorgelegt. Warum nicht? Nun, weil auch die AFD weiß, dass die von ihr behauptete Parallele der beiden Gesetze nicht anderes ist als Bullshit, Geschwätz!

Fragt sich nur, warum die AFD als Bullshitter auftritt. Während der Debatte gestern entrollten einige AFD Abgeordnete im Sitzungssaal Plakate, was verboten ist und den Abgeordneten natürlich klar war. Außerdem wurden einzelne Sympathisanten von AFD Abgeordneten mit Besucherausweisen für den Bundestag ausgestattet. Was die Betreffenden offenbar dafür nutzten, um einzelne Abgeordnete und Minister zu bedrängen und zu beschimpfen. Gleichzeitig mit der Bundestagsdebatte fand im Berliner Regierungsviertel eine Demonstration statt, auf der wohl auch ein AFD Abgeordneter auftrat, der die „mafiöse Regierung“ und das „Ermächtigungsgesetz“, das im Namen der Großkonzerne beschlossen worden sei, herzog. Fasst man diese Ereignisse, die offenbar koordiniert wurden und von niemandem, auch der AFD nicht, bestritten werden, zusammen: i) Anstacheln von Demonstranten, ii) gezielte Einschleusung von Störern ins Parlament, iii) bewußt aggressive und irreführende Redebeiträge und Störaktionen in der Sitzung des Parlaments, dann wird offensichtlich, worauf die AFD abzielt. Es geht geht ihr mitnichten um Sachpolitik, es geht ihr um die Störung des politischen Meinungsbildungsprozesses und darum, das Parlament verächtlich zu machen. Hier wird getäuscht, aber nicht zu Lasten der Karriereplanung eines einzelnen Politikers, sondern zu Lasten der Demokratie! Wer diese Partei unterstützt und ihr womöglich Mehrheiten verschafft, der soll nicht später sagen, er hätte nicht gewußt, wie diese Partei die Grundlagen der Demokratie untergräbt. Und er darf sich dann auch nicht beklagen, wenn er von Eiferern und Ideologen regiert wird, die sich momentan noch im Halbdunkel herumdrücken und die sich einen feuchten Kehricht um unsere Verfassung scheren.


 
 
 

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